Weinkunde Erich Lüthi Weinkunde Erich Lüthi

Veganer Wein

Weine ohne Hilfsmittel tierischer Herkunft

Wein wird zwar aus Trauben oder besser Traubenmost hergestellt, dennoch ist es üblich, bei der Vinifikation auf tierische Substanzen zurückzugreifen. Die meisten Konsumenten bevorzugen einen transparenten, klaren Wein ohne Trübungen, und daher wird dieser zur Klärung und Stabilisierung im Fass einer sogenannten Schönung unterzogen. Dabei wird ein Schönungsmittel eingebracht, das die Trübstoffe bindet, aber auch vorhandene Gerbstoffe wie Tannine reduziert und milder erscheinen lässt. Dabei haben sich über die Jahrhunderte verschiedene Hilfsmittel als effektiv erwiesen.

Bei kraftvollen Rotweinen wie beispielsweise in Bordeaux wurde Eiklar von Hühnereiern verwendet, das enthaltende Albumin klärt beim Absinken durch Bindung die trüben Feststoffe und bittere Gerbstoffe. Die Schönungsmittel setzen sich am Fassboden ab und werden dort vom klaren Wein getrennt. Zur Schönung von Weissweinen hat sich in unseren Breiten die Hausenblase bewährt, die aus den getrockneten Schwimmblasen des grossen Störs, aber auch aus anderen Fischen gewonnen wurde, die heute allesamt so gut wie nicht mehr in den grossen europäischen Flüssen wie Donau und Rhein zu finden sind.

Daher greifen die Winzer alternativ zur Gelatine, einem geschmacks- und farbneutralen Nebenprodukt aus der Fleischindustrie, erzeugt aus Sehnen, Knorpel, Schwarten und Knochen von Rind und Schwein, das den Veganer noch weniger anspricht. Und schliesslich gibt es noch als Nebenprodukt der Käseherstellung das Kasein, das ebenfalls die Trübstoffe zu binden vermag und beim Rotwein auch statt einem Braunton wieder ein schönes Rot erstrahlen lässt. Solcherart behandelt, wird der Wein zwar besser aussehen und schmecken, vegan ist er aber nimmermehr.

Die guten Alternativen

Es gibt zum Glück aber viele moderne Verfahren, bei denen das idente Ergebnis auch ohne die Verwendung tierischer Hilfsmittel erzielt werden kann. Da wäre eine Tonerde namens Bentonit, die aus der Verwitterung von Vulkanasche entsteht. Diese natürliche Mineralerde kann sowohl Eiweisstrübungen beheben wie auch biogenen Aminen wie dem Histamin entgegenwirken. Um gegen unerwünschte Gerüche und Färbungen zu wirken, kann Aktivkohle eingesetzt werden, diese sollte dann aber keine tierische Knochenkohle sein. Auch Kieselsäure aus fossilen Algen kann zur Schönung verwendet werden. Und in jüngerer Zeit setzen Winzer, die vegan zertifizierten Wein anbieten, verstärkt auf pflanzliche Proteine aus Weizen und vor allem aus Erbsen, mit deren Hilfe ebenfalls verlässlich geschönt werden kann.

Aber wie kann ein Konsument erkennen, ob ein Wein vegan ist oder nicht? Gleich vorweg: Eine Verkostung des Weines bringt uns diesbezüglich nicht ans Ziel. Und ein Blick auf die gesetzlich vorgeschriebene Zutatenliste auch nicht immer. Tierische Hilfsstoffe unterliegen nicht der Deklarationspflicht, Ausnahmen bilden dabei Kasein und Albumin, diese wiederum werden dafür den überwiegenden Teil der Vegetarier nicht stören. Der streng vegane Konsument wird sich am sogenannten «V-Label» orientieren – oder dem Winzer seines Vertrauens Glauben schenken müssen.

Vegan trotz Insekten

An so manchem Winzerstammtisch wird heute noch über die Vegan-Zertifikation gewitzelt, so wie das vor nicht allzu langer Zeit auch über biologischen Weinbau, Biodynamie oder gar Nachhaltigkeit gemacht wurde. Andererseits verfügen manche Produzenten bereits über mehr Zertifikationen als Logos auf ihren Etiketten Platz haben. Gerne gebracht wird das Argument, dass es sich gar nicht vermeiden liesse, dass bei der Ernte der Trauben eine gewisse Anzahl von Insekten, die sich in den Früchten befinden und gar nicht vom Lesegut trennbar wären, in der Presse und damit im Wein landet. Das ist zwar durchaus richtig, aber im Bezug auf eine vegane Zertifikation nicht relevant. Denn auch Produkte mit tierischen Spuren können das V-Label bekommen, wenn sie unbeabsichtigt in das Produkt gelangen können und nicht zur Rezeptur gehören. Das heisst, die Stoffe werden nicht direkt für die Herstellung eingesetzt, können aber trotz sorgfältiger Produktion in geringem Ausmass in das Produkt gelangen, etwa durch Luftwirbel, Rückstände an Maschinen oder eben als Mücken im Most. Auch mit dem V-Label oder der «Veganblume» der britischen Vegan Society zertifizierte Produkte können also tierische Spuren enthalten. Der Gehalt dieser Spuren ist jedoch so gering wie möglich zu halten.

Und was sagen die anderen Logos, die man heute oft auf den Rücketiketten der Weine findet, über den «Vegan»-Status eines Weines aus?

Beginnen wir mit den biodynamischen Weinen, kenntlich gemacht durch die Marken von DemeterRespekt und Co. Dazu Experte Jürgen Schmücking: «Dass von vielen Veganern biodynamische Weine akzeptiert und konsumiert werden, kann nur im fehlenden Wissen über die Herstellung dieser Weine begründet sein.» Um Trauben ernten zu können, die dem strengen Reglement der biodynamischen Landwirtschaft genügen, werden von Bio-Winzern Präparate ausgebracht, von denen einige auch tierischen Ursprungs sind. Für die Zubereitung der wichtigsten, dem Hornmist und Hornkiesel, werden Kuhhörner verwendet. Ohne Horn kein biodynamischer Wein. Auch zahlreiche anthroposophische Präparate kommen nicht ohne tierische Hüllen aus. So reift die Kamille im Rinderdarm, die Schafgarbe in der Hirschblase und die Eichenrinde wird in Haustierschädeln perfektioniert, bevor sie eingearbeitet wird.

Ideale schmeckt man nicht

Hier offenbart sich ein Widerspruch: Der Veganismus richtet sich gegen die Nutztierhaltung, die Biodynamie propagiert die Kreislaufwirtschaft mit der Tierhaltung als tragender Säule. Wenn manch biodynamischer Winzer dennoch «für Veganer geeignet» auf sein Etikett schreibt, dann bezieht er sich auf den Verzicht auf tierische Schönungsmittel wie Gelatine. Aber einmal ehrlich: Der Gedanke an ein Produkt, das aus Schlachthofabfällen hergestellt wurde und im Wein herumgeschwommen ist, macht niemanden froh. Es spräche also nichts dagegen, wenn der Gesetzgeber per Weingesetz derartige Substanzen aus dem Herstellungsprozess verbannen und ausschliesslich durch solche nicht tierischen Ursprungs ersetzen würde.

Fazit: Ob jemand aus Gründen der Lebenseinstellung nun veganen Wein bevorzugt oder nicht – rein vom Standpunkt des Geschmackes bleibt die Herstellungsweise völlig einerlei. Ein Unterschied ist definitiv nicht feststellbar.

Das V-Label

Das V-Label ist ein seit 1996 bestehendes, internationales Gütesiegel zur Kennzeichnung von veganen und vegetarischen Produkten und Dienstleistungen. Die European Vegetarian Union ist der Dachverband von vegetarischen und veganen Organisationen in Europa und hält die Markenrechte am V-Label. Das V-Label ist Marktführer bei der zertifizierten Kennzeichnung von vegetarischen und veganen Produkten. Weltweit waren mit Stand April 2019 über 30'000 Produkte von mehr als 2800 Unternehmen gekennzeichnet. Neben Lebensmitteln wie Wein können auch Kosmetika und Gastronomiebetriebe zertifiziert werden. Achtung: Es gibt das V-Label sowohl für «vegetarisch» als auch für «vegan» – unglücklicherweise sehen sie sich ziemlich ähnlich.

Als vegan werden damit Produkte bezeichnet, die nicht aus Tieren, Tierbestandteilen oder tierischen Erzeugnissen von lebenden Tieren hergestellt wurden. Mit dem V-Label «vegan» zertifizierte Produkte dürfen demnach etwa folgende Stoffe nicht enthalten: Eier, Honig, Milcherzeugnisse, tierisches Wachs, Farb-, Träger- und Hilfsstoffe aus tierischen Produkten von lebenden Tieren. Auch dürfen sie nicht mit tierischen Produkten geklärt worden sein, etwa Eiweiss.

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